DIE GESCHICHTE DES DIAMANTSCHLIFFES IN EUROPA
Vor Chr. Geburt:
Die ersten Nachweise über die Verarbeitung liegen im Dunkeln, stammen aus mythologischen Erzählungen und es ist nicht bekannt, wann zum ersten Mal ein Rohdiamant geschliffen wurde. Sowohl in hebräischer, griechischer wie auch alttestamentarischer Geschichte sind Diamanten an mehreren Stellen erwähnt.

Geschichtlich werden Diamanten das erste Mal in Indien um das 4. Jh vor Christi in der Literatur (Siehe: Arthasastra) verzeichnet, sie wurden regelmässig gehandelt und sogar besteuert. Daran hat sich also bis heute leider kaum etwas geändert.

Im römischen Reich wurden Diamanten geschätzt und getragen. Sie wurden unter anderem in damals sehr teure Ringe gefasst und einige dieser seltenen geschichte_europaSchmuckstücke mit ungeschliffenen Rohsteinen, den sogenannten „Roughs“, sind z. B. im British Museum, London zu sehen. Der Diamant wird in der römischen Geschichte des öfteren als der wertvollste aller Edelsteine beschrieben, jedoch gibt es interessanterweise keine Hinweise auf das Wissen um seine Härte. Darin waren ihnen die Griechen um einiges voraus, wie auch der Namensursprung Diamas, eine sprachliche Abwandlung des Wortes Adamas („Unbezwingbar“) belegt. Es scheint, dass die Römer meist minderwertigere Rohdiamanten verarbeiteten und diese auch des öfteren mit anderen Edelsteinen absichtlich oder auch unabsichtlich verwechselten. (Parallelen diesbezüglich zur Gegenwart sind natürlich rein zufälliger Natur…) Perfektere Rohkristalle scheinen von den indischen Händlern eher zurückgehalten und im eigenen Land vertrieben worden zu sein.

Diamanten wurden sowohl in damaliger Zeit und wie auch von etlichen Personen heutzutage noch eine Schutz- und Heilkraft zugesprochen und es galt und gilt der Glaube und die Legende, dass ein Diamant seine Kräfte nur in ungeschliffenem Zustand am Besten entfalten kann. rohsteineEs fehlt bisher aber ein Beweis, dass ein Schleifen oder Bearbeiten im römischen Reich überhaupt bekannt war. Nach dem Zerfall des Selben verschwanden Diamanten weitgehend aus dem europäischen Schmuckbereich, und beim Übergang zum christlichen Glauben wurden Edelsteine stark abgewertet, da übersinnliche Eigenschaften und mythologische Definitionen zu Beginn nicht im Interesse der erstarkenden Kirchen lag. Da die indischen Händler keinen bedeutenden Absatzmarkt mehr hatten, wurde der Handel eingeschränkt. Im Gegensatz dazu gibt es viele Quellen, die in der damaligen Zeit einen weiteren regen Handel mit der islamischen und indischen Welt verzeichneten. Besonders dort wurde bei Schmucksteinen Wert auf optische Reinheit bezüglich Einschlüssen und Oberflächen gelegt.


6. Jh – 14. Jh.: Rohdiamant, Spitzstein und Tafelschliff

Zwischen dem 6. und 10. Jh. gibt es verlässliche historische Quellen, die belegen, dass Diamantpulver zum Schleifen und Polieren anderer Edelsteine verwendet wurde. Die ersten geschliffenen Diamanten scheinen aus dem 13. Jh. zu stammen und haben die Form von Oktaedern, welche früher Spitzsteine genannt wurden. Dies waren die in der Natur vorkommenden Grundformen, die dann durch Polieren der Flächen und später dann durch Abschleifen einer Spitze „verfeinert“ wurden. Darauf folgten später die angeschrägten flachen Vier- und Rechtecke, sog. Tafelschliffe. Das frühe, zum Teil willkürlich anmutende Facettieren von Rohsteinen zeugt von damals nur rudimentär entwickeltem Wissen bezüglich Schleiftechniken.

2rohdiamanten       tafelschliff

In Europa wurde unmittelbar nach Öffnung der Handelsrouten nach Asien in der 1. Hälfte des 14. Jh das Schleifen von Diamanten bekannt, wahrscheinlich wurde in Venedig das erste Zentrum des Diamantschleifens errichtet. Das Wissen um diese Technik vermittelten wohl islamische
Händler.

Es war ein Vorgang, bei dem minderwertige Diamanten zu feinem Mehl zerrieben und bessere Steine mit diesem Schleifmittel bearbeitet wurden. Als Vermutung für die Notwendigkeit des Schleifens eines Steines wird vermutet, dass feine, perfekt gewachsene Steine wohl eher selten den Weg nach Europa fanden, sondern in der indischen und islamischen Welt weitergehandelt und dort sehr geschätzt wurden. Daher mussten in Europa neue, glatte Oberflächen geschaffen, also geschliffen und poliert werden, um die Nachfrage für glänzende, glitzernde Diamanten zu befriedigen.

Am Anfang wird man nur die schon vorhandenen Flächen optimiert haben, erst ab dem 15. Jh. wurde durch die Entwicklung der sich drehenden Schleifscheibe eine weitere Bearbeitung und das Anlegen von Facetten möglich.seilbahn Zu diesem Zeitpunkt wurden die ersten einfachen Schliffformen entwickelt und ausgeführt. Neugier, Kreativität und die Gier weltlicher und kirchlicher Fürsten nach Einzigartigem ließ nun alle möglichen und unmöglichen Schliffe entstehen. Nachdem die Venezianer den ostasiatischen Handel begonnen hatten, verspürten die Holländer, Portugiesen, Spanier
und Engländer das Bedürfnis, ebenfalls diesen neuen, reichen Markt zu erobern. Nachdem die Portugiesen Goa erobert hatten und ausbauten, entwickelte sich dieser Ort zu einem Hauptumschlagplatz für Edelsteine aus Indien, so dass mehr und bessere Diamanten als Rohware zur Verfügung standen.

Es muss jedoch in aller Deutlichkeit gesagt werden, daß Diamanten in der westlichen Welt immer noch eine grosse Rarität waren. Ihr Status wechselte nur von: „Extrem Selten“ zu: „Sehr selten“.
Seit etwa dem 16. Jahrhundert wird die Entdeckung der Spaltbarkeit von Rohdiamanten genutzt, um Diamanten zu verfeinern, unebene oder verunreinigte Teile abzutrennen oder aus einem Rohstein mehrere geschliffene Diamanten herzustellen. Es tauchen erste Beschreibungen dieses Vorganges in der Literatur auf. Die ersten dünnen Scheiben, die gespalten wurden, kann man als die Vorläufer der Diamantrosen betrachten. Diese entwickelten sich durch das ein- und zum Teil auch zweiseitige, manchmal sehr flache, Anfacettieren der flachen ebenen Spaltseiten.

1647 wurde erstmals von de Laet das Sägen von Diamanten mit einer geölten und mit Diamantstaub benetzten Schnur beschrieben, jedoch wurde diese sehr aufwändige Bearbeitung wesentlich seltener als das Spalten verwendet. Sie hielt sich dennoch bis weit ins 19. Jahrhundert.

17jhzweisteine

Die mit diesen Techniken abgespaltenen Diamantscheiben wurden durch das wiederum neu entwickelte Abrunden der äußeren Ränder von Diamanten vor allem durch Verarbeitung in Antwerpen und Amsterdam immer bekannter. Dies wurde dann eine vollständige einseitige Facettierung. Die Amsterdamer Rose war geboren und wurde wenig später der Standardschliff jener Zeit. In der 2. Hälfte des 17. Jh. wurde die Rose in der Höhe immer größer und die Oberfläche feiner bearbeitet.

Die Facetten wurden nach einiger Zeit so angelegt, dass sie mehr oder weniger gleichseitige Dreiecke bilden. Auf der Unterseite gibt es manchmal noch 2 bis 6 sehr flach angelegte Facetten, die ein zusätzliches Feuer bewirken sollten. Die Diamanten und auch andere Edelsteine in dieser Zeit wurden häufig mit silberner oder eingefärbter Folie unterlegt und zum Teil auch auf der Rückseite verklebt, um die Farbe oder Brillanz zu verändern.

brasilien

17. Jahrhundert:

Ab dem 17. Jh. wurde langsam ein neuer Schliff etabliert. Er bestand aus einem facettierten, lang zulaufenden Unterteil, welches das Hauptgewicht des Steins ausmachte, eine seitliche Aussenlinie, die den größten Umfang darstellte (die sog. Rondiste) und ein Oberteil mit einer etwas größeren Zentralfacette, der Tafel.

Die untere Spitze wich einer mehr oder weniger kleinen Facette, der sog. Kalette. Die äußere Grundform nach dem Schliff war noch definiert von der vielfältigen Form des Rough, also des Rohdiamanten, und konnte somit ovale, kissenförmige, vier- oder auch rechteckige oder asymmetrische Grundformen der geschliffenen Diamanten hervorrufen. Die seitlichen äußeren Kanten des Ober- und Unterteiles erhielten weitere Facetten. Eine Verbesserung des Schliffes wird zunächst dem Einfluss des Kardinal Mazarin zugeschrieben, dann entwickelte der italienische Schleifer Peruzzi weitere Verfeinerungen. Die resultierenden Schliffformen sind nach diesen beiden Personen benannt. Immer noch war die Brillanz dieser Steine verhalten, jedoch ist eine deutliche Verbesserung gegenüber den Rosen- und Tafelschliffen zu erkennen, die ja immer noch einen wichtigen Teil der Produktion ausmachten.

1725, Brasilien- Der Old Mine Cut

1725 wurden die ersten Diamanten in Brasilien gefunden und sie ersetzten bald Teile des Importes aus Indien, dessen Minen sich langsam erschöpften. Kurz darauf wurden auch diverse weitere Minen in Südamerika gefunden und es wurden das erste Mal wirklich grössere, bedeutendere Mengen an Diamanten auf den europäischen Markt gebracht. Dies führte jedoch zu einem Preisverfall, der bis zu 70% betrug. Dadurch wurde der Diamant, der bisher fast ausschließlich dem Adel und der Kirche (in manchen Ländern sogar per Gesetz!) vorbehalten war, erreichbar für eine etwas breitere Bevölkerungsschicht. Die Diamantschleifindustrie wuchs und es wurde der sogenannte OLD MINE CUT zum Standardschliff.

Da die Verfügbarkeit an Diamanten stark anstieg, schritt auch die Schliffentwicklung und Technik immer weiter voran. So experimentierten verschiedene Physiker und Schleifer und entsannen verschiedenste, zum Teil heute merkwürdig anmutende Schliffformen. Jedoch verfeinerte sich der Old Mine Cut dahin gehend, dass die unteren Rondistfacetten länger Richtung unterer Spitze gezogen wurden, die Kalette sich verkleinerte und die Grundform sich etwas mehr dem Rund näherte. Man muss jedoch bedenken, dass die Diamanten damals fast ausschließlich nach Gewicht gehandelt und gekauft wurden, was dazu führte, dass ein Maximum an Volumenerhalt eines Diamanten beim Schleifen erwünscht war und die Brillanz als zweitrangig angesehen wurde.

19. Jahrhundert: Südafrika

bergwerkWährend des Niederganges des Ertrages der brasilianischen Minen Mitte des 19. Jahrhunderts wurde 1866 bis 1880 in Südafrika ein Gebiet erschlossen, welches die kühnsten Pläne und Träume der Prospektoren, Finanziers und Abenteurer bei weitem übertraf. Gleichzeitig wurde die
Erfindung der maschinellen Rundschleifung von Roughes (Dampfgetriebene „Bruting Machine“) und die elektrischen Diamantsäge benutzt, um die Produktion weiter voranzutreiben. Wiederum brach der Marktpreis kurzfristig um bis zu 80% ein durch grössere Mengen Diamanten,die unkontrolliert auf den Markt geworfen wurden.



19/20 Jahrhundert – Old European Cut

3steine

Dies ist die Entwicklungsphase des Old European Cut. Dieser meist schleifmaschinerunde oder rundliche Diamantschliff mit relativ präzisen Proportionen wurde zum Standart. Jener hatte längere, untere Rondistfacetten, eine kleine Kalette und eine kleine Tafel. Die Proportionen von Ober – zu Unterteilhöhe sind 1:2,5 bis 1:4, nicht mehr wie häufig vorher 1:1,5 bis manchmal sogar 1:1. Das Verhältnis von der Höhe zum Durchmesser nimmt daher erheblich ab. Es wird nun auch vermehrt der Farbe und Reinheit der Diamanten Beachtung geschenkt.

 




schleiferErwähnt werden soll hier noch der charmante, meist sehr ästhetische „Übergangsschliff“, eine Variante, die die Herkunft des Altschliffs nicht verleugnen kann, da die Facetten noch etwas gröber sind und das Oberteil meist etwas höher angelegt wurde. Er hat jedoch schon keine Kalette mehr und ist meist rund. Die Facettenanzahl ist, ebenso wie bei vielen Old Mine Cuts und Old European Cuts, abgesehen von der Kalette, mit der des modernen Brillanten identisch.
In den letzten 15 Jahren des 19. Jahrhunderts werden die mächtigen Konsortien gegründet, es kommt zu internen Kämpfen und wilden Spekulationen. Machtkämpfe werden verdeckt und offen geführt und es bleibt am Ende der Konzern De Beers übrig. Er beherrscht schon nach wenigen Jahren den Diamantmarkt in Südafrika und kontrolliert wenig später die Marktmengen und Preise weltweit. Bis heute ist der Diamant das einzige preislich komplett diktierte kontrollierte Produkt auf diesem Planeten.

oldeuropeancut

20 Jahrhundert: der Brillantschliff
Die Industrialisierung schreitet immer weiter fort und der moderne Brillantschliff wird um 1919 von Marcel Tolkowsky kreiert. Ähnliche Schliffe wurden auch von verschiedenen anderen Personen oder Regionen entwickelt, setzten sich jedoch langfristig nicht durch. Seit dieser Zeit sind die Proportionen zum idealen Diamantschliff nur noch um wenige Winkelgrade verändert worden. Jedoch ist ein Ende der Verfeinerung des Brillantschliffes auch heute immer noch nicht absehbar und es gibt immer mal wieder Firmen, die einen neuen Schliff entwickeln. Jedoch wird sich scheinbar an der Vorliebe für den Brillanten nicht viel ändern.

Altschliff Kopie

Aber es ist auch der heutige Hang zur Perfektion, der solche gerade nicht perfekten Diamanten wie die Altschliffe populär macht. Jeder Stein ist individuell, einzigartig, wurde nach der Form des Rohsteines zum Teil erst während des Schleifens geplant, entwickelt und geformt. Die unterschiedlichen Fähigkeiten der Schleifer in den verschiedenen Jahrhunderten taten ein Übriges, wunderbare, geschichtlich interessante Steine hervorzubringen, welche heutzutage sehr gefragt.

So wird ein kleines, feines Stück Geschichte ein Teil unserer Gegenwart und erinnert uns täglich daran, daß Dinge die manchmal nicht ganz perfekt sind, gerade dadurch für uns so besonders werden können.

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